Aufruf zur Kundgebung am 14. März 2022 ab 17:30 Uhr auf dem Altenburger Markt

Altenburg – solidarisch durch die Krisen unserer Zeit

Aufruf zur Kundgebung 14. März 2022, 17:30 Uhr Altenburg, Marktplatz

Seit Februar 2022 stellen wir uns jeden Montag unter dem Motto „Altenburg solidarisch“ auf dem Altenburger Markt den sogenannten „Spaziergängen“ entgegen. Lange hat die Altenburger Zivilgesellschaft sich mit jenen Aufzügen schwergetan. Viele von uns sehen sich Menschen gegenüber, die wir auf Arbeit oder bei Familienfesten treffen. Trotzdem gehen Dialogversuche immer wieder ins Leere. Indes ist inzwischen bekannt geworden, dass die nicht angemeldeten Demonstrationen hinter den Kulissen maßgeblich von Rechtsaußen-Vertretern organisiert werden. Im Schutz der vermeintlich bürgerlichen Proteste vernetzen sich international aktive Neonazis wie der Hammerskin Thomas Gerlach, der zum engsten NSU-Umfeld gehörte und Waffen für Hammerskins in Portugal beschafft haben soll. Gleichzeitig erfahren wir als Menschen, die mit demokratischen Mitteln für ein offenes, ein junges und vielfältiges Altenburg mit Zukunft einstehen, massive Beschimpfungen und Bedrohungen in unserer Stadt.

Die Gruppe „Altenburg solidarisch“ und das Aktionsbündnis für Demokratie und Solidarität Altenburger Land rufen deshalb gemeinsam auf, die antifaschistische Kundgebung

„Altenburg – solidarisch durch die Krisen unserer Zeit“ am Montag, 14. März 2022 ab 17:30 Uhr auf dem Altenburger Markt zu unterstützen.

Auch wir sorgen uns um unser Altenburg. Zwei Jahre Pandemie haben zur Vereinzelung der Menschen geführt. Vereine, Kneipen und andere Orte des Miteinanders gab es schon zuvor in Altenburg immer weniger. In der Coronakrise fiel auch der Rest davon weg, wie z.B. Museen, Theater, Kino. Viele Menschen hier wurden vom Staat allein gelassen, seien es Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Pflegekräfte, Selbständige, Kulturschaffende oder nicht zuletzt junge Menschen. Maßnahmen zur Pandemie-eindämmung waren oft schwer verständlich oder schlichtweg schlecht gemacht. Während sich Einzelne in der Krise mit fragwürdigen Maskendeals und Boni bereicherten, haben viele von uns auf Besuche bei der Oma verzichtet, mussten um ihren Job bangen und Kinderbetreuung auf die Beine stellen oder sind trotz Freizeit-Lockdown weiter jeden Tag auf Arbeit getrottet. Die Krise hat die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit auch in unserer Stadt verschärft.

Wir sind der Ansicht, dass wir den Krisen unserer Zeit nur gemeinsam begegnen können. Altenburg braucht eine starke Zivilgesellschaft, Orte des demokratischen Austauschs und der respektvollen Debatten. Besorgt beobachten wir jedoch, dass die berechtigte Unzufriedenheit und die Ängste der Menschen in Altenburg von Demokratiefeinden instrumentalisiert werden. Recherchen haben gezeigt, dass es in Altenburg ein rechtes Netzwerk von Impfgegner:innen und Kritiker:innen der Coronamaßnahmen gibt, welches die sogennanten „Spaziergänge“ unterwandert. Ein relevanter Akteur ist der bekannte Neonazi Thomas Gerlach. Gerlach ist Mitglied der Hammerskins – eine international vernetzte konspirative Neonaziorganisation – und hat enge Verbindungen ins Umfeld der rechtsterroristischen Gruppe NSU. Wir akzeptieren nicht, dass sich extreme Rechte in unserer Stadt organisieren und Ideologien der Ungleichwertigkeit verbreiten. Wir finden, dass Rechtsaußen-Vertreter vom Bürgerforum, den Freien Sachsen oder Reichsbürger das Klima in unserer Stadt nachhaltig verseuchen. Zur (Stadt-)-Gesellschaft haben Menschenfeinde nichts Gutes beizutragen.

Wir wissen, dass nicht alle Teilnehmenden ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Dennoch laufen die „Spaziergänger“ unbeirrt zusammen mit Neonazis, Reicherbürgern und Neuen Rechten und tragen zu deren Normalisierung bei. Es ist regionalen rechten und extrem rechten Strukturen damit gelungen, in breiten Teilen der Gesellschaft Anschluss zu finden. Zugleich wäre es falsch zu glauben, dass mitlaufende Menschen allein deshalb frei von menschenfeindlichem Gedankengut wären, weil sie nicht mit Springerstiefeln, sondern mit ihren Kindern erscheinen. Eine Studie im Rahmen des Thüringen Monitor 2018 [1] zeigt, dass mehr als ein Viertel der Befragten im Altenburger Land extrem rechten Aussagen zustimmt. Rassismus, Queerfeindlichkeit oder Antisemitismus sind keine Randerscheinung, sondern finden auch in der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft statt. Und so ist für viele Menschen Altenburg keine schöne Stadt. Wir erinnern uns an den Wegzug von Schauspieler:innen nach rassistischen Angriffen, die Bedrohungen gegen den ersten Christopher Street Day (CSD) 2021 oder den homofeindlichen Mord an Mario K. im Februar 2020.

Wir sind der Ansicht: Wer gegen menschenfeindliche Äußerungen nicht Position bezieht, macht sich mitschuldig. Politik und Zivilgesellschaft müssen sich der Verantwortung bewusst werden, die sie tragen – Schweigen suggeriert Akzeptanz. Wir appellieren an alle Menschen, auch persönlich und im privaten Umfeld Haltung zu zeigen. Auch, wenn es nicht immer leicht fällt: zeigen Sie Zivilcourage gegen menschenfeindliche Positionen und Verhaltensweisen. Stehen Sie auf gegen Desinformation und Verschwörungsideologien. Wir alle sind gefragt, wenn wir wollen, dass Altenburg eine attraktive, vielfältige Stadt mit Zukunft ist.

Auch wir sind Altenburger:innen – und wir wünschen uns eine schöne, vielfältige Stadt, in der wir gut und gerne leben können.

[1] https://www.komrex.uni-jena.de/komrexmedia/literatur/projektbericht-topografie-dez2018.pdf